Rauchen in der U-Bahn, Pöbeleien, laute Musik - oft sind es kleine Provokationen, die in einer Prügelei enden. In München schlugen aggressive Jugendliche erneut zu, in Berlin wurde ein 51-Jähriger zusammengetreten. Er war einer Mutter und ihrer neunjährigen Tochter zur Hilfe gekommen.
München/Berlin - Er wollte eine Frau und ihre Tochter vor den Neujahrsknallern zweier Jugendlicher schützen - und bekam Prügel. Im Berliner Stadtteil Schöneberg rissen am Silvesterabend ein 17-Jähriger und ein 19-Jähriger einen 51-Jährigen zu Boden, schlugen ihn und traten ihn in die Hüfte, wie die Polizei mitteilte. Das Opfer hatte die Jugendlichen zuvor gebeten, keine Knallkörper mehr auf den Bahnsteig zu werfen, auf dem sich eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter befand. Das Mädchen hatte laut Polizei Angst bekommen.
U-Bahnhof in Berlin: Prügelei wegen Knallkörpern
In der Münchner U-Bahn kam es abermals zu einem brutalen Zwischenfall: Drei Jugendliche verletzten gestern Morgen bei einem Streit über zu laute Musik zwei 45-jährige Männer mit Tritten und Schlägen am Kopf, wie die Polizei heute mitteilte. Bei den Tätern handelte es sich nach Angaben der beiden Opfer um drei junge Männer, die in einem U-Bahn-Waggon mit einem MP3-Player so laut Musik hörten, dass sich andere Fahrgäste belästigt fühlten.
Zunächst sei ein anderer Fahrgast von den etwa 20 Jahre alten Jugendlichen mehrfach ins Gesicht geschlagen worden, weil er diese gebeten habe, die Musik leiser zu stellen. Das Opfer habe sich an der nächsten Haltestelle ins Freie gerettet.
Dann forderten die beiden 45-jährigen Männer nach Angaben der Polizei die Jugendlichen auf, die Musik leiser zu stellen. Wieder sei einer der Männer mehrfach ins Gesicht geschlagen worden. Die zwei 45-Jährigen hätten daraufhin die U-Bahn verlassen. Das Trio der Jugendlichen habe die Männer verfolgt, im Zwischengeschoss einen von ihnen zu Boden geschlagen und auf ihn eingetreten. Vor der U-Bahn-Station habe dann einer der Angreifer einen Ziegelstein auf einen der Männer geworfen und ihn am Kopf getroffen.
Die Opfer erlitten Prellungen und Schürfwunden sowie eine Platzwunde am Kopf und mussten im Krankenhaus ambulant behandelt werden. Die etwa 20 Jahre alten Schläger konnten unerkannt entkommen.
Vor zehn Tagen hatten zwei Jugendliche einen Rentner in der Münchner U-Bahn brutal zusammengeschlagen. Das Opfer des ersten Überfalls, Bruno N., sagte in einem Interview, er habe dabei einen dreifachen Schädel- und einen Jochbeinbruch erlitten. Die Angreifer hätten in seinen Augen aus "Hass auf mich, auf München und das Leben" gehandelt", sagte er.
"Nicht mit der Menschenwürde vereinbar"
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) lehnte die in der Union geforderten Erziehungscamps für jugendliche Straftäter ab. "Camps, in denen Jugendliche gedemütigt und erniedrigt werden sollen, sind nicht mit der Menschenwürde vereinbar", sagte ein Ministeriumssprecher. Dabei bezog sich der Sprecher ausdrücklich auf sogenannte Bootcamps, in denen in den USA straffällige Jugendliche militärisch gedrillt und teils erniedrigt werden. Auch mehrere weitere SPD-Politiker wandten sich gegen die Unionsforderungen.
Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) hingegen sagte, niemand fordere die Einführung von Bootcamps. "Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Zypries weiß, wovon sie spricht", sagte er. Vielmehr gehe es "um Jugendhilfe-Einrichtungen, die verhindern wollen, dass jugendliche Straffällige auf Dauer in die Kriminalität abgleiten". Diese könnten "eine heilsame erzieherische Wirkung haben". Dies habe "mit Erniedrigung und Entwürdigung überhaupt nichts zu tun". Camps nach US-Vorbild würden in Deutschland niemals geduldet werden, sagte er.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte den Überfall in der Münchener U-Bahn seinerseits zum Anlass genommen, über "zu viele kriminelle junge Ausländer" in Deutschland zu klagen und die bisherige Integrationspolitik als falsch zu geißeln. Koch hatte 1999 mit einer Unterschriftenkampagne gegen die damals von der rot-grünen Bundesregierung geplante doppelte Staatsbürgerschaft die Macht in Hessen errungen.
Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti warf Koch vor, eine "schmutzige Kampagne" zu führen. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte sie: "Das ist die Methode Koch, Sündenböcke für seine verfehlte Politik zu suchen." Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, nannte Kochs Vorpreschen im "Tagesspiegel" "puren Populismus und politische Brandstiftung".
ffr/AFP/dpa
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